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2 Eschen / 2 Ashes

Herbert Schnepf

CV

Herbert Schnepf

(*1979 in der Steiermark/Ö, lebt und arbeitet in Wien) studierte Theater- und Filmwissenschaft/ Kunstsoziologie in Wien und Paris/ Nanterre. Anschließend Assistenz und Öffentlichkeitsarbeit für Filmfestivals, Filmproduktionen, Galerien und Künstler*innen; daneben im Sozialbereich u.a. als Trainer für Deutsch als Fremdsprache in Strafanstalten und Kunstakademien und in der Flüchtlingsbetreuung tätig. Arbeitet derzeit im Projektmanagement einer sozialen NGO und absolviert eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. 

EN

2 Ashes

Ilse Haider’s project “Zwei Eschen” shows life-size photographic images of two Ash trees, realized 10 x 6 meters each on the façade walls of the two inner courtyards of the Karlsfeld primary school. With this motif, she refers to the circumstances of the new school building’s structural execution, for which numerous trees had to be felled, including two roughly eighty-year-old Ash trees.

The technique used is typical for Ilse Haider, yet at the same time, unique in its dimensions: a three-dimensional photograph of sorts in which a photographic image is applied to a raised surface, thus evoking the illusion of a spatial presence of what is depicted. Ilse Haider normally uses this technique to portray pop culture and art history icons, on roughly 1 x 2-meter large photo-emulsion coated wood elements.

For the present project, the artist chose to portray two trees in a life-size depiction of two fully grown specimens. While this idea has something playful and absurd about it, its execution presented a nearly gargantuan experiment: for the realization, the two felled trees had to be transported to a hall converted to a darkroom and under red light, lifted by numerous helpers onto light-sensitive paper that was subsequently exposed and developed in a custom-built production line. In a digital reproduction, the images were ultimately printed in equal part onto weatherproof panels and protruding slats. When viewed frontally, this gives rise to a complete image with a three-dimensional effect caused by the different pictorial levels’ depths.

The photographic technique used is that of a photogram[1]; the image’s blue color and monochrome wealth of detail, however, refer to the cyanotypes[2] of Ana Atkins[3] who produced the first botanical photos using this process in the mid-nineteenth century. The reference to the scientific-conservation process is significant in various ways: the portraits of the felled Ash trees represent the threat that humans present to nature; especially because the Ash tree is a particularly threatened tree species in Europe, of which it is assumed that the majority will succumb to a fungal infection in the next several years.

The images of the trees in the inner courtyards of the primary school can, however, also be understood as an allusion to the institution of school, per se, the abstract gathering and mediating of the world. The extremely elaborate procedure for producing the photograms can also be viewed as important: a huge, shared effort was required to carry out the project; like the effort still necessary for restoring ecological balance.

With its branches and sheer size, the image of a tree is undeniably open to many interpretations; it can symbolize a school’s social fabric, growth, or life itself, yet in the end, the beauty of every photo lies in allowing us to perceive a depicted object for what it is: a tree.

[1]A photogram is a photograph without a camera in which objects are placed directly on light-sensitive material and exposed.

[2]A cyanotype is one of the first photographic processes based on iron and not silver, which results in the typical blue color effect. Exposure takes place directly on the paper and requires sunlight or UV light.

[3]The British natural scientist Anna Atkins became famous for her (photographic) images of ferns and other plants using cyanotypes. She is considered the first female photographer due to this early application.

(translation: Lisa Rosenblatt)

DE

2 Eschen

Ilse Haiders Kunst-am-Bau-Projekt „Zwei Eschen“ zeigt die lebensgroßen fotografischen Darstellungen zweier Eschen, realisiert auf zwei jeweils 10 x 6 Meter großen Wänden der Innenhöfe der Grundschule Karlsfeld. Mit dem Motiv nimmt sie Bezug auf die Umstände der baulichen Realisierung des Schulneubaus, bei dem zahlreiche Bäume gefällt werden mussten, unter anderen zwei ca. 80 Jahre alte Eschen.

Die verwendete Technik ist typisch für Ilse Haider und zugleich einzigartig in ihrer Dimension: eine Art dreidimensionale Fotografie, bei der eine fotografische Darstellung auf eine erhabene Oberfläche appliziert wird und dadurch die Illusion der räumlichen Präsenz des Dargestellten hervorruft. Normalerweise portraitiert Ilse Haider mit dieser Technik Ikonen der Popkultur und Kunstgeschichte, auf etwa 1 x 2 Meter großen beschichteten Holzelementen.

Für das vorliegende Projekt entschied sich die Künstlerin zwei Bäume zu portraitieren, in lebensgroßer Darstellung zweier ausgewachsener Exemplare. Diese Idee hat etwas spielerisch-Absurdes, ihre Umsetzung aber stellte ein fast schon gigantomanisches Experiment dar: Für die Realisierung mussten die gefällten Bäume in eine zur Dunkelkammer umfunktionierten Halle transportiert und bei Rotlicht durch zahlreiche Helfer:innen auf lichtempfindliches Papier gehoben werden, das anschließend belichtet und in einer eigens aufgebauten Produktionsstraße entwickelt wurde. In einer digitalen Reproduktion wurden die Abbildungen schließlich zu gleichen Teilen auf wetterbeständige Platten und hervorspringende Lamellen gedruckt. Bei Frontalansicht ergibt sich dadurch ein vollständiges Bild, das durch die Tiefe der verschiedenen Bildebenen einen dreidimensionalen Effekt hat.

Bei der verwendeten Foto-Technik handelt es sich um ein Fotogramm[1]; die blaue Farbe und der monochrome Detailreichtum der Darstellung ist aber ein Verweis auf die Cyanotypien[2] der Ana Atkins[3], die in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit diesem Verfahren die ersten botanischen Lichtbilder hergestellt hat. Die Referenz an das wissenschaftlich-konservierende Verfahren ist bedeutsam in mehrerlei Hinsicht: die Portraits der gefällten Eschen stehen für die Bedrohung der Natur durch den Menschen; insbesondere, weil es sich bei der Esche um eine in Europa besonders bedrohte Baumart handelt, von der vermutet wird, dass der Großteil ihres Bestands in den nächsten Jahren einer Pilzerkrankung zum Opfer fallen wird.

Die Darstellungen der Bäume in den Innenhöfen der Grundschule können aber auch als Anspielung auf die Institution Schule an sich, das abstrahierte Hereinholen und Vermitteln der Welt verstanden werden. Auch der enorm aufwändige Prozess der Herstellung der Fotogramme kann als bedeutsam gesehen werden: nur in einem großen gemeinsamen Kraftakt konnte das Projekt umgesetzt werden; ähnlich wie die Anstrengungen, die noch unternommen werden müssen, um das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen.

Das Bild eines Baums lässt zweifelsohne viele Interpretationen zu, mit seinen Verzweigungen und in seiner schieren Größe kann es als Sinnbild für das soziale Gebilde einer Schule, für Wachstum oder das Leben an sich stehen, nicht zuletzt liegt die Schönheit jeder Fotografie jedoch darin, zu ermöglichen, das abgebildete Objekt als das wahrzunehmen, was es ist: ein Baum.

[1] Ein Fotogramm ist eine Fotografie ohne Kamera, bei der Gegenstände direkt auf lichtempfindliches Material gelegt und belichtet werden.

[2] Eine Cyanotypie ist eines der ersten fotografischen Verfahren, das auf Eisen beruht und nicht auf Silber, wodurch sich der typische blaue Farbeffekt ergibt. Die Belichtung erfolgt direkt am Papier und benötigt Sonnenlicht oder UV-Licht.

[3] Die britische Naturwissenschaftlerin Anna Atkins wurde durch (fotografische) Abbildungen von Farnen und andere Pflanzen mittels Cyanotypien bekannt. Sie gilt durch diese frühe Anwendung als erste Fotografin.